Camino del Norte Tag 10-13 (Reisebericht Jakobsweg Küstenweg)

Zuletzt aktualisiert am 25. Dezember 2023 von Lars

Camino del Norte Reisebericht Tag 10

2016-09-05 – Montag

Tag 10 meiner Wanderung auf dem Jakobsweg Küstenweg ist angebrochen. Ich habe gar nicht gut geschlafen. Noch lange hat ein Teenager auf der Strasse herrumgebrüllt. Haben die keine Schule? Nervig. Auch in Spanien haben manche Eltern ihre Bälger offensichtlich einfach nicht im Griff.

Mein temporärer Mitbewohner David steht um kurz nach sechs auf. Ich notgedrungen auch. Weiterschlafen kann ich jetzt nicht mehr. Es gibt noch ein kleines Frühstück mit leider kaltem Kaffee.

Jakobsweg Küstenweg - Markino-Xermain
Jakobsweg-Küstenweg – private Herberge in Markino-Xermain

So früh war ich noch nie auf dem Weg. Wenigstens ist es schon hell. Der Weg schlängelt sich noch lange durch das Industriegebiet von Markina-Xermein. Immerhin recht schön an einem Bach lang. Die Feuchtigkeit wabert stilvoll als Nebelschwaden über die Felder.

In einer Unterführung ist "You'll never walk alone" angesprayt. Erst später erfahre ich, dass das Gerry & the Pacemakers Stück (die haben es auch schon gecovert) auch die Hymne des FC-Liverpool ist. Ihr merkt, ich habe mit Fussball nicht viel am Hut.

Für den Jakobsweg kann das Motto aber auch gelten. Man kann meistens mit anderen laufen, muss aber nicht.

Jakobsweg Küstenweg
Jakobsweg-Küstenweg – You'll never walk alone
Jakobsweg Küstenweg
Jakobsweg Küstenweg
Jakobsweg Küstenweg
Jakobsweg-Küstenweg

Ich treffe Lisa aus London und wenig später eine Neuseeländerin und einen Holländer und wir sind ein Stück zusammen unterwegs. Der Holländer war der, der gestern mit den zwei Mädels unterwegs war. Die hat er inzwischen aber auch verloren. Er ist wie ich Informatiker. Er erzählt mir, dass er seinen Job einfach nicht mehr machen kann. Wenn er in Santiago angekommen ist, will er Südamerika bereisen und hofft am Ende seiner Reisen zu wissen, was er zukünftig tun will.

Jakobsweg Küstenweg
Jakobsweg-Küstenweg

Bei der nächsten Pause reisst das Feld aber schon wieder auseinander. Ich bin noch kurz mit Lisa unterwegs, muss aber bald wegen der Hitze eine Pause einlegen. Sie will unbedingt noch nach Gernika. Ich muss wohl, denn die einzige Herberge auf dem Weg hat Montags und Dienstags geschlossen. Umso erfreuter bin ich, als ich in Zarra ein Schild mit einer Herberge sehe. Der Besitzer Borga erklärt mir, dass er erst drei Tage auf hat und ich Gast Nummer Fünf bin. Ich muss nicht überlegen und quartiere mich gleich ein. Borga macht mir einen Riesen-Schnitzelwecken in der Grösse eines ganzen Sandwiches und berechnet dafür faire 4.50.

Die Herberge heisst Zarrandkoetxe und ist in Zarra. Ich denke das dürfte ein Super-Tipp werden.

Borga gibt mir noch zahlreiche Empfehlungen für Bilbao und einen Stadplan.

Jakobsweg Küstenweg
Jakobsweg Küstenweg
Jakobsweg Küstenweg
Borgas Herberge Zarrandkoetxe in Zarra – Jakobsweg-Küstenweg
Jakobsweg Küstenweg
Borgas Herberge Zarrandkoetxe in Zarra – Jakobsweg-Küstenweg

Da ich der einzige Gast heute bleibe, habe ich das ganze Zimmer für mich. Entsprechend leise ist es und ich kann super ohne Ohrstöpsel schlafen. Nur ein paar Hunde schlagen nachts ab und zu mal an.

Apropos Hunde. Borgas Hund und viele Nachbarhunde dürfen hier frei laufen. Ich habe leider schon viele Kettenhunde gesehen, die zum Teil nicht mal vernünftig Schatten hatten. Eine andere Unsitte scheint hier zu sein, Vögel einzeln in viel zu kleinen Käfigen zu halten und diese dann noch raus an die Sonne zu hängen. Also nicht nur beim Thema Stierkampf scheint es Potential in Spanien zu geben.

Jakobsweg Küstenweg
Jakobsweg Küstenweg – kompletter Abschnitt von Markino-Xermain bis Gernika

Camino del Norte Reisebericht Tag 11

2016-09-06 – Dienstag

Ich komme auch heute relativ zeitig los, denn auch bei Borka gibt es Frühstück, mit heissem, frisch gebrühtem Kaffee.

Jakobsweg Küstenweg
Wieder unterwegs auf dem Jakobsweg

Nicht nur der Kaffee ist heiss. Da Wetter wird heiss heute, noch heisser als gestern und leider habe ich auch heute einige Steigungen zu bewältigen. Zwischendrin gibt es aber immer wieder wunderschöne Waldwege. Besonders eindrucksvoll ist hier eine alte Brücke. Eigentlich könnten hier jeden Moment die Figuren aus Herr der Ringe um die Ecke kommen.

Jakobsweg Küstenweg
Jakobsweg-Küstenweg

Bei eine Bauernhof saussen zwei ca. achtjährige Buben herum und führen mich an einen kleinen Stand. Dort verkaufen Sie nicht gerade billig Obst und Müsliriegel. Ich kaufe den beiden jungen Geschäftsmänner trotzdem einen Apfel und zwei Müsliriegel ab. Den Apfel und einen Müsliriegel verspeise ich gleich, den zweiten stecke ich mir für "Notfälle" ein.

Der Notfall kommt schneller als erwartet: Der Anfstieg hinter Landotze in der prallen Sonne kommt mir besonders schlimm vor. Tatsächlich machen sich auch plötzlich bohrende Kopfschmerzen breit. Ich suche den nächsten Schattenplatz und mache erst einmal meine komplette Mütze nass und verputze meinen zweiten Riegel. Nach einer langen Pause geht es wieder und ich setze meine Wanderung fort.

Dann das erste und hoffentlich einzige Negativerlebnis: Ich stehe an der Tür der Albergue Eskerika und klopfe und klingele. Irgendwann wird ein Gast im Garten aufmerksam und kommt an die Tür. Dazu kommt ein weiterer Typ, den ich für den Chef halte. Er macht das Tor auf. Ich gehe zum Eingang und ziehe brav meine Wanderschuhe aus (ist so üblich in Herbergen), als plötzlich zedernd ein Typ um die Ecke sausst und den Gast, der an der Tür war, zusammenscheisst. Dann ich bin dran. Ich habe zu warten, bis er aufmacht. Er schreit weiter auf Englisch auf mich ein. Mir wird es zu blöd und ich frage ihn, ob ich woanders hin und dort mein Geld ausgeben soll und stehe demonstrativ auf. Nun kann er tatsächlich etwas freundlicher und heisst mich willkommen.

Es bleibt aber strange: Immerhin kann ich mein Zelt im Garten aufstellen. Von dem aus beobachte ich das Öffnungprozedere bei den später ankommenden Gästen. Jeder muss aufsagen, wo er herkommt und hingeht und was er will. Als ich irgendwann Getränke kaufen will, stehe ich mit einem Spanier 10 Minuten an, bevor "El Patrone" aufmacht. Never ever again.

Es gibt eine Alternativroute über Meakur mit einer Herberge dort. Ohne diese zu kennen, würde ich diese empfehlen.

Ich bin kaputt und koche mir alleine ein paar Spaghetti. Unten am Tisch sitzen fast nur Spanier und eine spanisch sprechende Italienierin. Mir ist das im Moment zu anstrengend mich mit Wörterbuch, etc. dazuzugesellen.

Während ich esse höre ich dann doch ein paar deutsche und englische Brocken und ich geselle mich nach unten an einen Tisch mit einem Belgier, zwei Holländer und einem Deutschen. Es ist noch immer warm und eigentlich eine Nacht, um lange draussen zu sitzen. Kurz nach 21:00 Uhr, wir haben uns noch eine Flasche Wein geholt, geht aber der Chef rum und erklärt, dass um 21:30 alle im Bett zu liegen haben. Was für eine Spassbremse!

Trotzdem sind meine Tischnachbarn ziemlich zufrieden mit der Herberge. Sie empfinden das alles gar nicht so schlimm und haben es wohl die letzten Tage noch schlimmer erlebt. Ich erfahre, dass ich gerade in einer Welle von Pilgern gelandet bin, die jeden Abend die normalen, bekannten Herbergen (über-)füllt. Auch aus diesem Grund gehen viele so früh los, damit sie abends noch einen Platz haben.

Wie viel die persönlichen Erfarungen doch bei der Einschätzung einer Situation ausmacht. Und wie gut habe ich es bisher scheinbar getroffen.

Camino del Norte Reisebericht Tag 12

2016-09-07 – Mittwoch

Da um 7:00 Frühstück angesagt ist, stehe ich auch notgedrungen auf. Es herrscht leichte Hektik. Das Frühstück ist selbst für spanische Verhältnisse ein Witz. Wenigstens der Kaffee ist heiss und stark. Dazu gibt es Baguette in dementsprechend winzige Scheiben geschnitten und Orangenmarmelade, die ich nicht herunterbekomme. Ich kann den bitteren Geschmack einfach nicht ab. Notgedrungen stopfe ich mir trocken ein paar Brotscheiben in die Backen und spüle sie mit Kaffee herunter.

Nach einer kurzen Verabschiedungsrunde packe ich mein Zelt. Obwohl ich mein Zelt noch nie so schnell eingepackt habe, bin ich trotzdem der letzte Pilger auf dem Gelände. Eigentlich sollte mir das egal sein, aber das Gefühl, hier nicht wirklich willkommen zu sein, treibt mich zur Eile.

Als ich gehe, büchst Esmeralda, die kleine Jack Russel Hündin des Chefs, mit aus. "El Patron" sagt, ich soll ihr eins mit dem Wanderstock geben. Sicher nicht! Inzwischen hätte ich aber Lust, den Chef mit meinen Wanderstöcken zu verhauen!

Ich bin froh, diesen Ort zu verlassen. Immerhin belohnt mich der Weg heute mit einem tollen Sonnenaufgang.

Jakobsweg Küstenweg
Auf dem Camino del Norte

Ab Lezama wird es aber dann sehr städtisch geprägt und weniger schön. Nur der Auf- und Abstiegstieg beim Monte Avril ist landschaftlich herrlich, aber leider auch bei 34 Grad viel zu anstrengend.

Unterwegs überhole ich einen älteren Holländer, von dem mir die anderen erzählt haben er käme immer als letztes an und schnarche am lautesten.

Mitten auf dem Weg finde ich dann einen eindeutigen menschlichen Haufen. Es wäre problemlos möglich gewesen, nach rechts oder links in die Büsche auszuweichen. Ich kann mir leider fast nur vorstellen, dass es einer der Pilger direkt vor mir war. Viele sind so eilig aufgebrochen, dass es bestimmt den meisten nicht zur morgendlichen "Sitzung" reichte. Und das alles nur, um ja Abends ein Bett zu erwischen. Was die Umwelt angeht, sind viele Pilger leider alles andere als Heilige. Immer wieder gibt es Plätze, die eindeutig als Toiletten benutzt werden und meist hätte man Clopapier und Häufchen etwa dezenter setzen können. Eine weitere Unsitte sind Erfrischungstücher, die sehr häufig während des Weges liegen. Diese verrotten nicht wirklich schnell. Sicherlich verhalten sich nicht alle Pilger so, aber die -hoffentlich- wenigen ziehen stellenweise eine ordentlich Abfallspur hinter sich her.

So kurz vor Ende des Baskenlandes sehr ich immer häufiger Transparente und Grafitis, die auf die schwierige politische Situation hier hindeuten. Bedenken hatte ich hier nie, stellenweise ist mir in grosseren Städten aber doch eine grosse Anzahl an zum Teil schwer bewaffneten Polizisten aufgefallen.

Jakobsweg Küstenweg
Jakobsweg Küstenweg
Im Baskenland – Jakobsweg-Küstenweg
Jakobsweg Küstenweg
Laut Google Translator "Gefangene und Flüchtlinge nach Hause schicken" – Transparent in Larrabetzu – Baskenland

Auch Theo, einen weiteren Holländer von gestern abend, treffe ich gelegentlich an Pausenorten, meist bricht er jedoch gerade auf, als ich ankomme. Drei jüngere Deutsche überhole ich kurz vor Bilbao auch noch. He, ich bin gar nicht so langsam! Faiererhalber muss ich sagen, dass einer leicht humpelt und mit dem Knie wohl grössere Probleme hat.

Jakobsweg KüstenwegJakobsweg KüstenwegJakobsweg Küstenweg
Kurz vor Bilbao

In Bilbao nehme ich mir ein Hotel in der Altstadt. Ich habe fast ein bisschen ein schlechtes Gewissen, als ich später andere der Pilger treffe und die mir alle von ihren Hostels für 15 Euro die Nacht erzählen. Aber ich habe einfach Lust auf ein eigenes Zimmer mit eigenem Bad. Auch wenn ich für die zwei Tage in Bilbao so viel wie bisher ausgebe, macht es mich glücklicherweise nicht arm. Aber im Gegensatz zu früheren Ferien weiss ich den Hotelaufenthalt jetzt wertzuschätzen. Es ist schon interessant, was für ein Stellenwert ein eigenes Zimmer mit Bad auf einmal bekommt. Wie mit allem kommt es hier auf die eigenen Erfahrungen und Betrachtungsweisen an.

Jakobsweg KüstenwegJakobsweg Küstenweg
In Bilbao

Trotz einiger Pausen, die ich unterwegs genommen habe, ist es noch relativ früh und ich mache mich noch auf die Suche nach einem Sportgeschäft, bei dem ich mir eine neue ISO-Matte kaufe. Die alte will ich, da sie so teuer war und noch Garantie hat, mit einigen anderen Dingen nach Hause schicken. Ich hole mir auf der Post (spanisch Correos) eine passende Box. Das Versenden dürfte recht spannend werden, denn die Dame vom Amt kann kein Englisch, hat nicht wirklich Lust mit mir zu kommunizieren und schläft während des Gesprächs mit mir auch beinahe ein.

Anschliessend gehe ich noch essen und nach einem kurzen Altstadtbummel relativ früh ins Bett.

Jakobsweg Küstenweg
Jakobsweg Küstenweg – kompletter Abschnitt von Gernika bis Bilbao

Camino del Norte Reisebericht Tag 13

2016-09-08 – Donnerstag

Wie angekündigt, regnet es. Ich verschwinde zum Frühstücken erst mal in der Bar gegenüber und warte, bis es etwas besser wird.

Auf der Post habe ich teilweise Glück. Die Dame heute kann zwar auch kein Englisch, aber hat sichtbar Spass an der Hand und Fuss Kommunikation. Es dauert aber ewig, bis das Paket auf die Reise geht. Und, trotz Economy-Tarif: Das lohnt nicht. Knapp 2 Kilogramm kosten fast 45 Euro. Hätte man vorher mal versuchen können zu fragen. Lehrgeld – Pech! Ich habe seinerzeit schon mal von Schottland Sachen nach Hause geschickt und das war ebenfalls sehr teuer. Aber damals dachte ich, dass liegt daran, dass es nicht Festland ist. Jetzt weiss ich es besser.

Anschliessend schaue ich mir noch das Guggenheim-Museum von aussen an und gehe etwas den Fluss lang und fotografiere.

Die Füsse tun mir jedoch in den Sandalen schnell weh. Kurz nach Mittag gehe ich zurück und mache Extrem-Relaxing und Kalorien auffüllen. Der Gürtel war immerhin schon im letzten Loch. Das mit dem Kalorien auffüllen tut mir gar nicht gut. Bauchweh, Durchfall, für den Rest des Tages bleibe ich im Hotel.

Bilbao
In Bilbao
Bilbao
Viel moderne Kunst in Bilbao
Bilbao

Bilbao

Bilbao

Bilbao

Bilbao

Bilbao

Bilbao

Guggenheim-Museum Bilbao
Bilbao
Bilbao

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1 Gedanke zu „Camino del Norte Tag 10-13 (Reisebericht Jakobsweg Küstenweg)“

  1. Hallo Lars!
    Bin am 5. September 2016 in Bilbao gestartet und am 28. in Santiago angekommen. Dein Reisebericht weckt wunderbare Erinnerungen. Nicht nur der Weg, auch die Leute die sich aufgemacht haben den Weg zu gehen und offen sind, waren eine Erfahrung die ich nicht missen möchte. Schon am 5.Tag kam ich mit Elisabeth aus Franken ins Gespräch, es war an den Klippen vor Santander, bis Sa.Llana del Mar.
    Leider haben wir keine Kontaktdaten ausgetauscht,da ich mir sicher war, sie am Weg noch einmal zu treffen. Kann mir jemand helfen eine Verbindung herzustellen?

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