Camino del Norte Tag 7-9 (Reisebericht Jakobsweg Küstenweg)

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Zuletzt aktualisiert am 25. Dezember 2023 von Lars

Camino del Norte Reisebericht Tag 7

2016-09-02 – Freitag

Relativ spät wache ich auf. Wobei das ist nicht wahr, ich bin mal wieder mehrmals in der Nacht aufgewacht, weil die blöde Isomatte Luft verloren hat. Gestern Abend habe ich noch ein wenig im Internet recherchiert und siehe da, das Problem des schleichenden Luftverlustes ist bekannt. Ich muss allerdings auch auf meine Kappe nehmen, dass ich einen Denkfehler bei der Anschaffung gemacht habe: Ich wollte sie vor allem, weil sie so sehr bequem ist, aber für kürzere und längere Touren. Ein Flickzeug liegt ja zwar bei, aber wenn man bei einem schleichenden Luftverlust das Loch nur in der Badewanne feststellen kann, dann ist man einfach aufgeschmissen. Die passt nicht einfach in den Rucksack. Also: Schrott für meinen Zweck. Ich werde mir was anschaffen müssen, was ohne Luft auskommt.

Unterwegs auf dem Jakobs-Küstenweg

Von Zarautz aus geht der Jakobsweg lange an der Strasse entlang. Für meinen Geschmack viel zu lange. Ich sehe unterwegs einige Pilger, die schon verdammt fertig aussehen. Ich selbst fühle mich sehr wohl, der Ruhetag hat mir gutgetan.

Lost Places entlang des Jakobs-Küstenweg

Lost Places entlang des Jakobs-Küstenweg

Immer wieder: Lost Places entlang des Jakobs-Küstenweg

Das ändert sich aber relativ schnell bei dem Aufstieg nach Getaria. Der ist wirklich heftig und die Sonne knallt herunter, ohne ein einziges Wölkchen am Himmel. Der Weg selber wird wieder ruhiger und beschaulicher, wenngleich er weiterhin geteert bleibt.

Unterwegs auf dem Jakobs-Küstenweg

Unterwegs auf dem Jakobs-Küstenweg

Unterwegs auf dem Jakobs-Küstenweg

In Zumaia kehren die ersten Pilger schon in die Herberge ein. Ich habe keine Uhr an und mein Smartphone ist zum stromsparen ausgeschaltet, aber es kann nicht allzu viel nach zwei Uhr sein. Das ist mir definitiv zu früh. Das sind sicher auch Solche, die den Tag um fünf beginnen. Definitiv nicht mein Rhythmus. Ich laufe weiter Richtung Deba und mache meine verspätete Mittagspause.

Hart für Mensch und Material - der Jakobs-Küstenweg

Hart für Mensch und Material – der Jakobs-Küstenweg

Schon von Anfang an muss ich mich fast zwingen zu essen, denn während des Wanderns und auch noch eine Weile danach verspüre ich fast kein Hunger.

Als mögliches Übernachtungsziel erreiche ich schliesslich ein Picknickbereich vor Elorriaga. Picknickgebiete wurden mir von anderen „Zelt-Pilger“ schon als mögliches Übernachtungsgebiet empfohlen. Tatsächlich gibt es hier Wasser, WC und einen Picknickwagen. Was braucht der Mensch mehr?

Ich kaufe mir die obligatorische Cola und geniesse diese erstmal. Es ist auch mal angenehm, wieder an einem Tisch mit Bank zu sitzen. Es macht nicht nur das Schreiben viel angenehmer.

Ich gehe nochmal zum Wagen zurück. Dort stand eine Obstschale mit einem Schild „Zahle so viel, wie Du willst“. Ich krame Kleingeld für 1.80 heraus, lege es auf den Tisch und schnappe mir ein Apfel und eine Orange. Der Besitzer steht draussen und kommt auf mich zugerannt. Ich deute an, dass ich Geld liegen gelassen habe und er ruft „No“ und „Tranquilo“. Ich denke schon, ich habe was falsch gemacht, da packt er nochmal vier Äpfel drauf und wünscht mir „Bon camino“. Toll.

Schlafplatz

Taugt auch als Schlafplatz

Handyempfang habe ich hier keinen, aber meine Lieben werden auch mal ohne ein Statuspdate von mir auskommen.

Die Bänke sind so lange, dass ich gut darauf Platz habe, allerdings recht schmal. Ich werde aber trotzdem erstmal probieren einfach mit Iso und Schlafsack auf die Bank zu liegen. Regen ist auf absehbare Zeit keiner angesagt.

Kontakt mit anderen Pilgern habe ich heute kaum gehabt. Die meisten sahen heute nicht sehr kontaktfreudig aus. Möglicherweise galt das auch für mich, denn ich habe heute ein ordentliches Tempo vorgelegt. Ein gewisser Trainingseffekt hat vielleicht doch schon eingesetzt.

Camino del Norte Reisebericht Tag 8

2016-09-03 – Samstag

Allzu gut schlafe ich nicht. Schuld ist nicht die Bank. Kurz nachdem es Dunkel wurde, wurde es irgendwie richtig voll auf dem Platz. Viel Frauengekicher macht schnell klar, dass da keine bösen Sachen abgehen. Sondern hier trifft sich wohl die umliegende Jugend, um Dinge zu machen, die daheim nicht gemacht werden dürfen. Nachdem mich einmal der Schein einer Taschenlampe streift, hät man immerhin respektvoll Abstand zu mir.

Irgendwann krabbelt mir auch was mit vielen Beinen übers Gesicht. Bähh. Meine kindliche Spinnenphobie habe ich zwar schon eine Weile überwunden, aber das ist schon ziemlich eklig.

Ich trage es mit Fassung und beobachte, wie die Sterne herauskommen. Ausserdem sehe ich einzelne Boote, die noch auf dem Atlantik unterwegs sind. Immer wieder schlafe ich ein, aber nicht wirklich durch. Beim Wildcampen will ich aus Sicherheitsgründen dann doch keine Ohrstöpsel benutzen und trage auch immer meine Stirnlampe.

Am nächsten Morgen sehe ich auch das ganze Ausmass: Einige Zelte wurden aufgebaut und ein paar Wohnmobile stehen rum.

In den Ritzen der Bank sehe ich mindestens 10 Weberknechte. Einer davon war bestimmt mein nächtlicher Gast, den ich fast verspeisst hätte.

Ohne auf die Uhr zu sehen, mache ich mich nach dem Frühstück auf den Weg. Ich bin jetzt froh über die geschenkten Äpfel, denn ich habe nur noch sehr wenige Vorräte. Ein Grossteil meines Frühstücks besteht heute also aus Äpfel.

Wieder unterwegs…

Richtung Itziar treffe ich eine Amerikanerin. Ihr Alter ist schwer einzuschätzen, ich denke aber, dass sie an die 60 ist. Sie läuft auf der Ebene ein Tempo, was für mich noch gut passt, allerdings wird sie am Berg im Gegensatz zu mir nicht langsamer. Sie erzählt mir, dass sie in Amerika auch Mehrtageswanderungen macht. Dort muss Sie zusätzlich das ganze Essen meist mindestens für eine Woche mitnehmen. Pro Tag sind hier nochmal mit einem halben Kilo zu rechnen. Mir spukt ja sowas auch im Kopf rum, wenn ich aber denke, wie ich mit den 15 Kilo manchmal schon meine Probleme habe, muss ich mir das wohl abschminken oder noch sehr sehr viel trainieren.

Mit wilden Tieren hat sie noch keine Probleme gehabt, sie beherzigt die Regeln, die ich auch schon aus Alaska kenne. Kein Essen wegwerfen, Vorräte in bärensicherem Container an einem Baum abseits des Schlafsackes befestigen.

Es geht ständig auf und ab, ihr Bergtempo macht mir zu schaffen und ich bin trotz des interessanten Gesprächs fast froh, als ein Supermarkt auftaucht und ich meine Vorräte auffüllen kann bzw. muss.

In meiner Mittagpause treffe ich auf einen Abiturienten aus Köln. Er ist von zu Hause aus losgelaufen. Wow. Inzwischen macht er immer so um die 30 km täglich ohne mit der Wimper zu zucken.

Wenig später treffe ich auf eine Medizinstudentin aus München. Ich habe eigentlich das Gefühl gut mitzukommen. Sie nimmt eine Herberge in Deba. Ich will noch weiter auf den Campingplatz in Mutriku. Er ist der letzte die nächsten Tage. Aber jetzt quäle ich mich regelrecht dorthin. Da hat mir mein männlicher Ehrgeiz wohl einen bösen Streich gespielt. Endlich nach einem unnötigen Umweg angekommen (ich habe die Abzweigung verpasst) bin ich dort und geniesse die Dusche. Nach der Katzenwäsche gestern habe ich doch schon fein vor mich hingemüffelt. Ich habe bereits jetzt solchen Muskelkater, dass ich mir eine Schmerztablette „reinpfeiffe“. Mal sehen, wie es mir morgen geht, notfalls bleibe ich einen Tag länger. Immerhin ist der Ausblick aufs Meer hier schön, allerdings ist es mir hier auch zu weit weg für eine abendliche Runde. Der Campingplatz liegt einige Höhenmeter über dem Meer.

Farbenfrohes Grafitti in Deba

Immer wieder auf dem Camino del Norte: Farbenfrohe Grafittis – hier in Deba

Jakobs Küstenweg - Zarautz nach Deba

Manche machen das an einem Tag, ich habe mir zwei gegönnt: Von Zarautz nach Deba

Camino del Norte Reisebericht Tag 9

2016-09-04 – Sonntag

Als ich aufstehe hält sich der Muskelkater in Grenzen, doch ich fühle mich überhaupt nicht wach. So als wäre ich gerade erst ins Bett gegangen.

Trotzdem raffe ich mich auf, frühstücke gemütlich und mache mich auf den Weg. Der Campingplatzwart hat mir gesagt, dass ich nicht so kompliziert zurück laufen muss, wie ich gekommen bin. Einfach gerade hoch, über zwei Tore. Dann sollte ich auf der Anhöhe sein, auf der ich gestern schon war. Ich hatte einfach die Abzweigung verpasst. Blöd nur, dass die Tore geschlossen sind. Also mal eben drüber geklettert. Gar nicht so einfach mit 15 Kilo Gepäck auf dem Rücken. Aber es klappt. Als ich auf der Anhöhe angekommen bin, finde ich mich überhaupt nicht zurecht. Hier war ich doch gestern gar nicht, oder? Ein Jogger kommt vorbei. „Camino?“ „Si, Camino!“

Unterwegs auf dem Jakobs-Küstenweg

Wieder unterwegs auf dem Jakobsweg Küstenweg…

Er deutet mir an, dass ich nach irgendeiner Anzahl Meter rechts muss. Und siehe da, es stimmt. Erst kommt mir der Weg zwar immer noch nicht bekannt vor, aber nach 500 Meter merke ich, dass ich da bin, wo ich gestern schon war. Na sowas, ich muss aber fertig gewesen sein. Mutig trabe ich weiter. Noch fühle ich mich halbwegs fit und die Sonne knallt auch nicht so herunter, es ist etwas bedeckt.

Doch auch ohne dass die Sonne von oben herunter knallt, wird der nächste Anstieg sehr anstrengend. Zwischendurch sehe ich ein paar wenige andere Pilger, zunächst will sich aber nirgendwo ein Gespräch entwickeln. Als ich Pause mache, kommen zwei junge Mädels in kurzen Hosen und Bikini-Oberteil vorbei und geben damit ein deutlich hübscheres Bild ab, als der krebsrote ältere Engländer oder Amerikaner, der in hautengen Jogging-Hosen und mit Bierbauch oben ohne unterwegs ist. Sie vermögen aber auch keine letzten Reserven mehr in mir zu wecken, denn es sind einfach keine mehr da.

Nach einem wirklich mörderischen Anstieg, bei dem ich mehr als einmal gedacht habe, was ich hier eigentlich treibe, treffe ich die zwei später aber noch. Sie kommen aus Frankreich. Inzwischen hat sich ein Holländer zu ihnen gesellt. Ich kanns ihm nicht verdenken, aber bei mir ist heute Schneckengeschwindigkeit bei den Anstiegen angesagt, so dass ich mich nicht bei dem Dreigespann anhängen kann.

Richtung Markino-Xermain

Richtung Markino-Xermain

Unterwegs auf dem Jakobs-Küstenweg – Richtung Markino-Xermain

Überhaupt ist der Camino viel bergiger, als ich mir das vorgestellt habe. Praktisch nach jeder Stadt wird angestiegen und irgendwann wieder zur nächsten Stadt abgestiegen. Die Anstiege sind zwar anstrengend, aber die Abstiege hauen teilweise gnadenlos auf Knie und Hüfte. Ich bin froh, dass ich meine Wanderstöcke dabei habe, auch wenn ich mir manchmal etwas albern damit vorkomme.

Lost Places entlang des Jakobs-Küstenweg

Immer wieder: Lost Places entlang des Jakobs-Küstenweg

In Markino-Xermain steht plötzlich Mo vor mir, so heisst die Amerikanerin, die ich gestern schon getroffen habe. Die mit der konstanten Geschwindigkeit auch bergauf. Sie macht Stadtführerin für mich und zeigt mir die offizielle Herberge. Die ist voll und so nimmt sie mich mit zu Ihrer Unterkunft, Alfonso & Daughter. Die ist klein aber fein, hier ist man auch noch streng getrennt nach Geschlecht. Es ist bisher angenehm leer, nur David, ein Spanier, teilt mit mir das Zimmer.

Daughter – sorry, hab den Namen vergessen – erwartet in wenigen Tagen ihr Kind. Ihr Englisch ist ungefähr so gut wie mein Spanisch. Zum Glück hilft Mo, die super gut spanisch zu sprechen scheint, beim Checkin.

Ich hole mir noch was zum Essen in der Stadt. Keiner meiner Pilger-Kollegen aus der Herberge will mitkommen und so laufe ich doch ziemlich verloren durch das bunte, gesellige Treiben, dass am dem nun doch sehr lauen Abend hier herrscht.


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